Gesellschaft in der Digitalstadt

Ohne Barrieren in die digitale Welt

Digital für Alle – Wie wir auch Bürgerinnen und Bürgern mit geringer Medienkompetenz den Zugang zur digitalen Welt erleichtern, um durch die neuen Medien mehr Teilhabe realisieren zu können.

„Teilhabe ist ein Wort, das viele Bedeutungen hat“, liest Thomas (alle Namen geändert) aus einem Online-„Wörterbuch für leichte Sprache“ vor und berichtet weiter: „Man sagt auch: bei etwas mitmachen.“ Andreas schaut kurz von seinem Tablet auf: „Ach so. Das machen wir ja hier“, und ist wieder in seinen Bildschirm vertieft.

Erwachsene mit Lernschwierigkeiten kommen seit Juni 2019 einmal im Monat zum Workshop des Digitalstadt-Projekts „Digital für Alle“, meist direkt von ihrer Arbeit im Eigenbetrieb Darmstädter Werkstätten. Im Nebenraum der Stadtbibliothek surfen sie dann nach Lust und Laune durchs Internet – mit Unterstützung von Adelheid Wolf von der Stabstelle Sozialplanung und Projektkoordination im Sozialdezernat der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Sie koordiniert das Digitalstadt-Projekt. Das Projekt-Ziel: digitale Barrieren für möglichst viele Menschen senken und digitale Teilhabe ermöglichen. In diesem ersten Workshop seiner Art in Darmstadt sieht Wolf die Chance, voneinander zu lernen: „Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern kann ich gemeinsam Materialien und Vorgehensweisen erproben, evaluieren und auch anpassen – als Grundlage für die Entwicklung weiterer Workshop-Angebote.“

Jeder folgt seiner Leidenschaft: London-Fan Andreas ist immer auf der Suche nach Bildern aus der britischen Metropole. Thomas geht gerne den Dingen auf den Grund. Heute sucht er Informationen zum Wort „Teilhabe“, weil die Gruppe über das Workshop-Ziel der „digitalen Teilhabe“ gesprochen hat.

Foto: rfw. Kommunikation
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„Wenn man Dinge macht, für die man sich interessiert, lernt man am schnellsten“, erklärt Wolf. Die meisten Workshop-Teilnehmer haben höchstens ein Mobiltelefon und kaum Zugang zu digitalen Medien. „Selten gibt es ein Tablet in der Familie – und wenn, dann bleibt es zu Hause, weil es zu wertvoll ist“, so Wolf. Im Workshop ist das anders. Hier finden sie Zugang zur digitalen Welt und lernen deren Chancen und Möglichkeiten kennen.

Sebastian möchte wie immer Polizei-Videos angucken, weiß aber im Moment nicht mehr, wie er die findet. „Google das“, sagt ein anderer und erntet nur Stirnrunzeln. Wolf erklärt: „Es gibt viele Suchmaschinen, aber die meisten Menschen benutzen gerne das da oben“, sie zeigt auf das Google-Symbol. „Das wird Guhgl ausgesprochen.“ Sebastian klickt es an, schreibt „Polizei“ in die Suchleiste und drückt auf Enter. Viele Zeilen Suchergebnis erscheinen auf dem Bildschirm. Wolf hilft: „Wenn Du lieber nach Bildern oder Videos suchen möchtest, kannst Du das da oben in der Leiste anklicken.“ Bald darauf flimmert das erste Polizei-Video über den Bildschirm.

Digitale Teilhabe durch leichte Sprache

Momente „angenehmer Entschleunigung“ nennt Wolf die Workshop-Nachmittage, „weil Ungeduld hier fehl am Platz ist“. Damit die Gruppe leichter den Weg ins und durchs Internet findet, liegen auf dem Tisch verteilt Blätter mit Handlungsanweisungen oder Erklärungen in leichter Sprache und mit vielen Bildern, wie beispielsweise: „Internet/WLAN – Wie melde ich mich an?“ oder „Alle Such-Maschinen haben Such-Leisten. In die Such-Leisten kann man Worte schreiben, über die man mehr wissen will.“

 

Auch diesmal hat es eine Weile gedauert, bis alle im Netz waren. Die geliehenen Tablets anmachen, das Display freischalten, in „Einstellungen“ auf „Verbinden“ klicken, dann das WLAN-Symbol finden, den richtigen Hotspot anklicken, zum Schluss noch Nutzernamen und Passwort korrekt eingeben – und dann hoffen, dass alles richtig war. „Wer mit der Digitalisierung groß geworden ist, macht das alles schnell und intuitiv – aber das alles ist nicht selbsterklärend, sondern nur verständlich, wenn man die Prozesse kennt“, erläutert Wolf. „Da kann schon die Anfrage zum Datenschutz bei Google herausfordern, weil das zu viel Schrift ist.“

Corona-Regeln als Video und in Einfacher Sprache und Fremdsprache

Ein Kooperationsprojekt mit der TU Darmstadt

Ob Sprachschwierigkeiten, Lernschwächen, Migrationshintergrund oder mangelnde Medienkompetenz: Es gibt viele Ursachen, warum Menschen keinen Zugang zu den Informationen der Landes- und Bundesregierung zur aktuellen Corona-Pandemie haben oder sie nicht verstehen können. Ein Team der TU Darmstadt hat mit Unterstützung der Digitalstadt Darmstadt Wissenswertes zu Covid-19 in Wort und Bild leichter verständlich dargestellt. Die Materialien beinhalten die aktuellen Verhaltensregeln, um der Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken. Ihre Grundlage waren die von der Bundesregierung herausgegebenen Texte in Leichter Sprache.

Die schriftlichen „Corona Regeln“ sind verständlich und anschaulich aufbereitet und plakativ illustriert. Sie sind in Einfacher Sprache auf Deutsch erhältlich und wurden auch in ebenso Einfacher Sprache in fünf Fremdsprachen übersetzt: Englisch, Arabisch, Persisch, Türkisch und Russisch. Das Erklär-Video kommt nahezu ohne Text aus und ist auch für Menschen geeignet, die nicht lesen können. Es ermöglicht ein intuitives Verständnis dafür, wie man sich während einer Pandemie verhalten sollte, um sich und andere zu schützen.

Alle Regeln auf einen Blick:

Selbstvertrauen und Sicherheit mit digitalen Dingen

Schritt für Schritt tastet sich die Gruppe jedes Mal gemeinsam vor, bis alle im Internet sind. „Am Anfang hatten einige noch Angst, etwas falsch zu machen“, berichtet Adelheid Wolf. Aber nach einem kleinen, selbst verfassten Text in Word stiegen Selbstvertrauen und Selbstsicherheit mit digitalen Dingen, denn: „Sie haben gelernt, dass Fehler gut sind, weil man daraus lernen kann.“ Seit Wochen höre sie bei den Treffen keine Entschuldigungen mehr und die Stimmung steigt. „Sich selbst als erfolgreich Handelnde wahrnehmen zu können, ist für alle enorm wichtig.“

Foto: rfw. Kommunikation

Das Workshop-Angebot wird von Masterstudierenden der Evangelischen Hochschule Darmstadt begleitet. Im Rahmen ihres Studiums der Integrativen Heilpädagogik befassen sie sich mit Arbeitsanleitungen in einfacher Sprache. Auch für sie ist der gegenseitige Austausch essenziell: Bei den Treffen prüfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die von den Studierenden entworfenen Texte und sagen, ob sie diese verstehen. Langfristig sollen daraus gedruckte Broschüren werden – Wegweiser, die mit leichter Sprache in und durch die digitale Welt führen. Die wären dann nicht nur für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung hilfreich, sondern auch für jene mit Migrationshintergrund oder geringer Alphabetisierung.

Veranstaltungskalender in einfacher Sprache

Das Anliegen, digitale Barrieren für möglichst viele Menschen zu senken, verfolgt das Digitalstadt-Projekt „Digital für Alle“ auch mit einer weiteren Initiative: Derzeit ist eine neue Version des städtischen Veranstaltungskalenders in Arbeit. „Momentan präsentiert er die Veranstaltungen vor allem schriftlich und zwar so, wie sie beim Bürgerinformationszentrum eingereicht wurden“, erklärt Wolf. „Er ist also nicht in einfacher Sprache, hat kaum erläuternde Bebilderung, keine Vorlesefunktion und bietet keine Möglichkeit, Kontraste, Schriftart oder die Schriftgröße zu verändern.“ Die Studierenden der Evangelischen Hochschule haben deswegen Handlungsempfehlungen entwickelt, wie ein barrierearmer Veranstaltungskalender entstehen könnte.

Die Erkenntnisse aus diesen Zusammenarbeiten fließen dann in weitere Digitalstadt-Projekte ein: Auch der Digitale Bildungswegweiser und das Stadtlabor sollen mit möglichst wenig Barrieren möglichst viele Menschen erreichen.

 

 

Ansprechpartnerin
Digital für Alle

Adelheid Wolf
Koordinatorin des Projekts
“Digital für Alle”

Amt für Soziales und Prävention
Frankfurterstraße 71
64293 Darmstadt

Tel.: 06151 – 132160

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